Die Energiewende erfordert einen raschen Wandel. Um die damit verbundenen gesellschaftlichen und infrastrukturellen Veränderungen erfolgreich zu bewältigen, spielt überzeugende Kommunikation eine zentrale Rolle. In diesem Text betont Charlotte Holzum die Wichtigkeit eines Dialogs zwischen Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, um nachhaltige Lösungen zu entwickeln und die Akzeptanz für die Energiewende zu fördern.
Die Energiewende ist eine Generationenaufgabe, so heißt es. Das Problem: Wir haben nur noch wenig Zeit, sie zu stemmen. Es ist in den vergangenen Jahrzehnten so viel vertagt worden, dass die Transformation nun im Turbogang erfolgen muss. Mit allem, was dies gesellschaftlich an Herausforderungen bedeutet. Und mit allem, was das für die Kommunikation an Herausforderungen bedeutet. Wie sehr wir in die Bredouille geraten, wenn diese Kommunikation nicht gelingt, haben Heizungsgesetz und Wärmepumpen-Diskussion in den vergangenen Monaten brutal gezeigt.
Nur ein aktiver, überzeugender Dialog kann Zukunft gestalten. Das meine ich nicht in einer naiven Weise. Denn auch mit dem besten Dialog ist es weder leicht noch sicher, Akzeptanz für Infrastruktur- und industrielle Transformationsprojekte zu finden, die in das Leben der Menschen eingreifen. Aber klar ist: Ohne Dialog, Transparenz und offene Kommunikation ist es schlicht unmöglich.
Ein offener Dialog zu Klimaschutz- und Technologiethemen macht die Zukunft nicht rosarot und nicht mal mit Garantie grün. Auf manches, was die Zukunft braucht, haben wir noch keine Antwort. Es gibt eine Vielzahl aktueller Herausforderungen – ob Künstliche Intelligenz, innergesellschaftliche Spannungen oder nachhaltiges Wirtschaften –, deren Bugwellen die Gesellschaft durcheinanderwirbeln. Ebenso turbulent ist das Terrain für Politik und Wirtschaft. All das heißt: wir müssen reden! Gerade auch bei schwierigen Themen.
Nur im steten Dialog der unterschiedlichsten Interessengruppen können wir gute Lösungen finden. Lösungen, die gesellschaftlich tragen. Und dennoch – so bin ich überzeugt – stehen Wirtschaft und Politik hier besonders in der Verantwortung, den Austausch zu suchen: Es ist Aufgabe der politischen Köpfe, den Rahmen für eine neue nachhaltigere Wirtschaft zu setzen. Aber umsetzen müssen es vor allem: innovative Unternehmen. Die wissen, was sie von Politik und Behörden brauchen, um Projekte vor Ort zu realisieren. Die Innovationstreiber in der Wirtschaft können zeigen, was möglich ist, wenn Politik die richtigen Anreizsysteme schafft. Der viel zitierte Inflation Reduction Act der US-Regierung hat sicher zahlreiche Schwachstellen, aber er zeigt, welches gemeinsame Momentum für Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt durch ein starkes gemeinsames Narrativ entstehen kann.
Warum haben es neue Projekte so schwer?
Wasserstoff für die Industrie, E-Mobilität und neue Heizsysteme, Effizienzexplosionen durch Digitalisierung: Die Herausforderungen für neue Projekte sind immens. Märkte müssen neu geschaffen, Angebote und Technologien etabliert, Finanzierungen gefunden, Standorte aufgebaut werden – während gleichzeitig die politischen Rahmenbedingungen und behördlichen Prozesse erst noch definiert werden. Es ist in vielerlei Hinsicht – eine Operation am offenen Herzen.
Die Projektentwicklung erfolgt hier „from scratch“, und die Kommunikation ist nicht nur Dolmetscher, sondern Wegbereiter der Geschäfts- und in vielen Fällen sogar Marktentwicklung. Da viele Fragen und Prozesse offen sind, muss eine kontinuierliche, ganzheitliche Kommunikation alle relevanten Anspruchsgruppen – von Mitarbeitenden, Partnern, Kunden und Investoren über Politik und Behörden bis zur unmittelbaren Nachbarschaft und Öffentlichkeit – mit auf die Reise nehmen, erklären, was geplant ist, fordern, was gebraucht wird, ausgleichen und überbrücken. Die Projektumsetzung in neuen Märkten verläuft nie linear. Gerade hier ist es wichtig, dass Wirtschaft und Politik einander zuhören und verstehen.
Sobald die Umsetzungsskizze steht und die Projektidee Form annimmt, muss es deshalb für Unternehmen heißen: Ab in den politischen Dialog! Denn als Investments in die Zukunft brauchen neue Technologien nicht nur Wagniskapital, sondern ebenso: politisches Kapital. Wie die vergangenen Monate zeigen, ist der politische Wille da, Innovationen zu unterstützen. Doch um den Rahmen für neue Märkte gestalten zu können, brauchen politische Entscheidungstragende klare Problemdefinitionen aus der Praxis. Das geht allein durch einen frühen und steten Austausch. Die Politik, ob regional oder auf Bundesebene, kann nur Brücken bauen, wenn sie weiß, wohin die Unternehmen unterwegs sind und wo auf dem Weg die schwierigen Gewässer liegen. Da ist die Wirtschaft in der Pflicht, klar zu informieren. Nicht in der Lobby, sondern öffentlich und transparent. Und da ist die Politik gut beraten, aus der Praxis zu lernen und mehr als einmal zuzuhören. Die Politik trägt auch dabei Verantwortung dafür, dass nicht nur die starken Stimmen Gehör finden. Gerade weil mit neuen Märkten auch neue Stimmen dazukommen.
Ein Blick in die Praxis: Das Gespräch nicht abreißen lassen
Im Osten Deutschlands entsteht aktuell ein besonders leistungsstarkes Technologiecluster für die Umsetzung von Energiewende und Elektromobilität: mit Firmen wie Tesla, BASF Schwarzheide, CATL und Rock Tech Lithium. Letzteres ist ein deutsch-kanadisches Cleantech-Unternehmen, das in Europas Versorgung mit Lithium investiert – ein Rohstoff, ohne den E-Fahrzeuge und Batteriespeicher für grünen Strom kaum denkbar sind. Rock Tech baut im brandenburgischen Guben Europas ersten Lithiumkonverter und hat hierzu früh und aktiv das Gespräch mit Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft gesucht. Nicht nur zu den einfachen, kuscheligen Fragen. Denn auch Cleantech hat es mit vielen Herausforderungen zu tun. Energie, Roh- und Reststoffe, Transport – zu bedenken gibt viel beim Aufbau einer neuen Industrieproduktion und Wertschöpfungskette.
Der Dialog begann schon, bevor es Antworten auf alle Fragen gab. Auf diese Weise hat Rock Tech die Stakeholder mit auf die Reise genommen, Schritt für Schritt informiert – und gemeinsam Lösungen gesucht. Immer mit Blick aufs große Ganze: beispielsweise indem alle wesentlichen Parameter des EU-Batteriepasses bereits vorab mitgedacht wurden. Und nie ohne die Frage, was daraus für die Region folgt. Entstanden sind so u.a. ein regionales Lithium-Forschungsinstitut, ein intensiver Know-how-Transfer und eine gute Nachbarschaft vor Ort. Möglich geworden ist dies, da Kommune und Land vorrausschauend und aktiv Raum und Rahmen geschaffen haben und immer wieder alle Akteure miteinander ins Gespräch bringen, um das neue Technologiecluster weiter nach vorne zu entwickeln.
Dialog ist eine Bedingung, aber kein Garant für Akzeptanz
Eine zentrale Säule für eine gelingende Energiewende wird eine resiliente und nachhaltige Versorgung mit Rohstoffen sein. Dazu gehört neben dem Aufbau einer Kreislaufwirtschaft auch die Steigerung der heimischen Förderung für eben die Rohstoffe, die wir für die Energiewende brauchen. Aber wie viel eigene Förderung kann und will Deutschland? Hierzu haben navos und das Umfrageinstitut Civey im Mai 2023 die deutsche Bevölkerung repräsentativ befragt.
Zunächst einmal herrscht breiter Konsens: Rund 85 Prozent der Deutschen betrachten die Unabhängigkeit von Rohstoffimporten für die Zukunft des Wirtschaftsstandorts als wichtig. Danach gefragt, was genau für die heimische Förderung wichtiger Rohstoffe spricht, würdigen die Bürgerinnen und Bürger, dass Deutschland dadurch politisch unabhängiger wird und die gesamte Wertschöpfungskette im Land behält. Dass die kürzeren Transportwege zudem gut für die Umwelt sind, ist für 47 Prozent ein wichtiger Aspekt.
Wie bei allen Umfragen – und wie auch in der kommunikativen Praxis – sehen wir jedoch einen erheblichen „Not in my backyard“-Effekt. Will heißen: Die Zustimmung nimmt ab, sobald es um die Förderung in der eigenen Region geht. Rund 61 Prozent der Deutschen sprechen sich für einen Rohstoff-Abbau in ihrer Heimatgegend aus. Immerhin: eine Mehrheit. Jeweils knapp ein Fünftel der Befragten ist in dieser Frage allerdings unentschieden oder negativ eingestellt.
Wir haben in der Untersuchung auch gefragt, was aus Sicht der Menschen die Akzeptanz der Projekte vor Ort stärkt. Für die Mehrheit ist die strikte Vermeidung von Gesundheits- und Umweltrisiken entscheidend. An zweiter Stelle liegen wirtschaftliche Aspekte wie eine Gewinnbeteiligung der Kommune. Und wie steht es um die Kommunikation der Projekte? Spätestens seit dem Kommunikationsdebakel von Stuttgart 21 stehen Bürgerdialog und -beteiligung weit oben auf der Agenda auch der lokalen Genehmigungsbehörden. Teilen die Bürgerinnen und Bürger diese Sicht? Hier zeigt sich ein gemischtes Bild. Etwa 30 Prozent betrachten eine Bürgerbeteiligung als akzeptanzrelevant. Regelmäßige Dialogveranstaltungen finden dagegen bei weniger als zehn Prozent Anklang.
Damit bestätigt die Umfrage die Erfahrung aus der Praxis, dass die Einbindung der Menschen, egal ob Rohstoffförderung oder Infrastrukturausbau, kein kommunikativer Selbstläufer ist – und kein Garant für lokale Akzeptanz. Es kommt auf die Art der Kommunikation an und ihre Aufrichtigkeit. Ein Dialog ist nur zielführend, wenn die Anliegen der Menschen tatsächlich gehört und beantwortet werden. Beteiligungsverfahren sind nur sinnvoll, wenn es an der Projektplanung tatsächlich noch etwas zu ändern gibt. Sonst sind sie kommunikatives Blendwerk. Darauf fallen die Menschen nicht rein.
Dialog und Beteiligung müssen niedrigschwellig und frühzeitig einsetzen – sobald es etwas zu informieren und zu entscheiden gibt. Wer wartet, bis ein Infrastruktur- oder Innovationsprojekt von sich aus auf dem Radar der Menschen erscheint, und sie dann vor vollendete Planungstatsachen stellt, hat die Zeit für den Dialog verpasst – und bremst sein Projekt aus in dem falschen Glauben, es zu beschleunigen. Dabei muss lokale Beteiligung nicht immer (und nicht primär) Beteiligung der Öffentlichkeit sein. Die Erfahrung zeigt, dass es oft zielführender ist, diejenigen zu beteiligen, die die Bürgerinnen und Bürger vor Ort repräsentieren: die Kommunen und Landkreise, lokale Verbände und Vereine, regionale Unternehmen. Zielgerichtete Kommunikation bewirkt meist mehr als ein breiter Bürgerdialog, wenn er nur der Form halber geführt wird.
Nicht nur die Energiewende, sondern auch die Projekte selbst stehen unter enormen Druck nachzuweisen, dass sie schnell und verbindlich umgesetzt werden können. Im globalen Standortwettbewerb hinkt Deutschland im Vergleich zu Ländern mit vergleichbaren ESG-Standards (wie Kanada oder Australien) in Sachen Genehmigungsgeschwindigkeit weiter hinterher. Mit der Folge, dass internationale Investoren weiterhin zögern, Projekte in Deutschland zu finanzieren.
Wenn nun im Rahmen der „Neuen Deutschland-Geschwindigkeit“ behördliche Planungs- und Prüfschritte verschlankt werden, so kann dies eine große Hilfe für die Unternehmen sein, um neue Infrastruktur zu schaffen. Und es macht die Frage der öffentlichen Akzeptanz nicht obsolet. Die Deutschland-Geschwindigkeit entwertet die Projektkommunikation nicht – sondern, im Gegenteil, stärkt ihre Bedeutung. Denn umso wichtiger wird es, bereits früh vor Ort zu sein und zu überzeugen. Bereits vor dem behördlichen Genehmigungsverfahren müssen die grundlegenden Fragen für die wichtigsten Anspruchsgruppen erklärt und geklärt sein. Nur so kann es schnell gehen.
Ein Beispiel, wie die Bereitschaft zur Extrameile den Weg für die Projektumsetzung verkürzen kann, ist die Deutsche Flussspat GmbH. Diese hat sich bewusst gegen mögliche Abkürzungen und für ein vollständiges Planfeststellungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung für die ersten Untersuchungsarbeiten der Grube Käfersteige bei Pforzheim entschieden. Dort will das Unternehmen ein altes Bergwerk reaktivieren, in dem eines der größten Flussspat-Vorkommen Europas lagert. Flussspat – auch Fluorit genannt – ist ein Mineral, das etwa für Photovoltaik und Batterien in Elektroautos gebraucht wird und das die EU bisher zu zwei Dritteln importiert. Die Deutsche Flussspat kann einen wichtigen Teil des heimischen Bedarfs decken und das unter höchsten Umweltstandards mit einem „Zero Surface Footprint“. Zu allen Planungen, Themen und Herausforderungen hat das Unternehmen früh und transparent kommuniziert sowie Umweltverbände und externe Expertinnen und Experten eingebunden, um gemeinsam Lösung zu entwickeln. Bis hin zu Ideen für eine Wärmeversorgung der Gemeinde durch Thermalwasser. Auch dies ist ein Beispiel, wie Projektentwicklung und Kommunikation Hand in Hand gehen können. Und wie der offene Dialog mit den Stakeholdern vor Ort und die richtige „Mundart“ den Weg für eine erfolgreiche Projektumsetzung zur Energiewende ebnet.
Es gibt viel zu besprechen. Let’s talk.
Dieser Artikel erschien zuerst hier: www.boell.de